Fantastisch!

Fantastisch!

Der eisige Frost von Prag scheint heute Abend fast zu schmelzen bei den Tausend und Abertausenden von Kerzen, die Passanten an den Gedenkstätten der «samtenen Revolution» vom 17. November 1989 angezündet haben.

Während man feiert, der Musik auf den Plätzen zuhört oder von der Karlsbrücke aus die Abendlichter dieser wunderschönen Stadt bewundert, halten Jugendliche und Erwachsene, Kinder und Eltern mit Babys auf den Armen gesammelt inne, auf dass die Erinnerung an jene Ereignisse nicht verloren gehe.

Auch wir, eine kleine Gruppe, die nach dem Treffen des Trägerkreises von Miteinander für Europa noch geblieben ist, tauchen ein in diese Atmosphäre von Prag; im Austausch über das, was wir in diesen Tagen erlebt haben, vervielfacht sich die Freude.

170 Personen sind in ebenso viele Richtungen wieder abgereist, erfüllt von den unvergesslichen Eindrücken dieses Treffens: „Wenn wir verstehen, wer Jesus ist, verstehen wir die Wahrheit“; „Ich habe den Unterschied zwischen «Individuum» und «Person» verstanden: das Individuum führt immer zu Autoritarismen, die Person zur Gemeinschaft“; “Wir sind Bürger! Wir müssen die Geschwisterlichkeit in die Gesellschaft bringen!“; „Neben vielen Sprachen habe ich auch die der Herzen, die für die Einheit schlagen, kennengelernt“; „Ihr Erwachsene seid ein Vorbild für uns Jugendliche!“

Diese Eindrücke klingen noch in uns nach, wie auch die abschließenden Gedanken am Vormittag: „Miteinander für Europa ist ein Ruf.“ Um ihm treu zu bleiben dürfen wir die Ziele, die wir erreichen wollen, auch in der Realität unseres Alltags nicht aus den Augen verlieren. Welches sind diese Ziele?

Das Bewusstsein, dass unsere Kirchen, jede Bewegung und jede Gemeinschaft, schon in sich multikulturelle Netzwerke sind, die Europa über Sprach- und Landesgrenzen hinweg verbinden. Wir sind der Auftakt eines europäischen Volkes.

Jede Bewegung oder Gemeinschaft ist ein Ausdruck des Evangeliums, aus dem ihr ganz eigenes Charisma hervorgeht als Antwort auf eine Herausforderung unserer Zeit.

Gemeinsam, auf der Basis der gegenseitigen Liebe und mit Jesus in unserer Mitte, sind wir alle ein europäisches Laboratorium der Einheit in versöhnter Vielfalt. In dieser individualistischen Gesellschaft, in der die Kultur der Trennung herrscht, schauen wir auf IHN, der am Kreuz Himmel und Erde verbunden hat und setzen uns ein für eine Kultur des „Miteinander für…“.

Überzeugt, dass wir Kinder des einen Vaters sind, sind wir offen für alle Menschen und wollen Zeugen dieser universalen Geschwisterlichkeit sein.

Zum Wohl unserer Städte, Länder und Kontinente arbeitet Miteinander für Europa mit Vertretern aus Politik und Kultur zusammen, um ein Europa als «Haus der Nationen, Familie von Völkern» zu verwirklichen.

Es heisst, die Laien seien in den Kirchen ein «schlafender Riese». „Verantwortung ist die Antwort– wie Václav Havel sagte. Wenn wir für die Gesellschaft um uns herum Verantwortung übernehmen, können wir mit unserem Leben zu einer Antwort werden!

Jemand hat uns beim Abschied an den berühmten «Brief an Diognet» erinnert, in dem es heisst, die Christen seien der «Sauerteig» in der Welt. „Ich habe mir gedacht: So ist es! Miteinander für Europa hat im Kleinen Europa wieder eine Seele gegeben. Der Sauerteig ist da und beginnt die Gesellschaft zu durchsäuern! Die Hoffnung auf ein gutes Stück Brot besteht! Fantastisch!“

Er hat Recht. Das ist wirklich fantastisch!

Ilona Toth

 

Stimmen aus Prag – Teil 2

Stimmen aus Prag – Teil 2

Kurze Interviews mit einigen Teilnehmern des Trägerkreis-Treffens von Miteinander für Europa in Prag – Teil 2

“Identity is something what we desperately need!” Pavel Fischer, Senator in the Czech Parliament

“Europa ist sehr bewegt”. Valerian Grupp, CVJM Esslingen, Deutschland

“Abbiamo un grande fondamento che ci lega.” Matthias Leineweber, Comunità di Sant’Egidio, Germania

“Pour leur communiquer la beauté”. François Delooz, Communauté de Sant’Egidio, Belgique

“I realised the strength of the Movements.” Pavel Černý, Pastor, Czech Republic

Stimmen aus Prag – Teil 1

Stimmen aus Prag – Teil 1

Kurze Interviews mit einigen Teilnehmern des Trägerkreis-Treffens von Miteinander für Europa in Prag – Teil 1 

“Ein Geschenk des Heiligen Geistes”. Sr.M.Lioba Ruprecht, Schönstätter Marienschwestern, Deutschland

“Non sediamoci sul divano!” František Talíř, Movimento dei Focolari, Cechia.

“Going against the mainstream.” Annamária Fejes, Focolare Movement, France

“Ricerca della verità come antidoto alla paura.” Georges El Hage, SYNDESMOS, Francia

“Traverser nos peurs”. Gérard Testard, Efesia, France

 

Dritter Tag von MfE in Prag

Dritter Tag von MfE in Prag

Letzter Kongress-Tag für die 170 Teilnehmer aus 21 europäischen Ländern und 53 Bewegungen und Gemeinschaften. Eine überraschend große Anzahl Jugendlicher prägte die Atmosphäre des gesamten Treffens.

„In Zeiten von Pluralisierung und „religiöser Abkühlung“ wollen wir einen Kontrapunkt setzen“ erklärte eine der jungen Frauen. „Wir haben die dazu nötige Begeisterung und fühlen die Verantwortung, unseren Teil zum Aufbau eines geeinten Europas  auch in Politik und Gesellschaft zu geben.“

Die Vorträge und viele Möglichkeiten zum persönlichen Austausch hatten den Teilnehmern einen genaueren Blick auf die Situation des Glaubens und der Kirchen in Tschechien ermöglicht.>

„Wir können soviel voneinander lernen und uns beschenken lassen“, meinte ein junger Mann aus Ravensburg. „Prag 2018 ist für drei Tage zur „internationalen Hauptstadt im Herzen Europas geworden“, sagte einer der Teilnehmer und „Das „Miteinander“ ist hier für mich und für viele erneut zu einer Herzensangelegenheit geworden.“

Der Blick nach vorn

Am  9. Mai 2019 soll der Europatag als Tag des “Miteinander für“ begangen werden. Als Vorbereitung darauf wird die Initiative mit einer europaweiten Gebetskette unterstützt.  Start ist der 25.3.2019, Tag des erwarteten Austrittes des Vereinigten Königreichs aus der EU. „Vom Brexit zum Europatag: das steht symbolisch auch für unseren gemeinsamen Weg“, ist der abschließende Eindruck eines Teilnehmers.

Das nächste Trägerkreis-Treffen wird vom 7.-9.11.2019 in Ottmaring/Augsburg stattfinden, dort, wo die Geschichte des Miteinanders vor 20 Jahren begann. Es wird Rückblick auf eine Geschichte der Menschen mit Gott und Ausblick auf eine vielversprechende Zukunft sein.

 Beatriz Lauenroth

Zweiter Tag von MfE in Prag

Zweiter Tag von MfE in Prag

Der zweite Tag der Begegnung von Miteinander für Europa in Prag sollte den Teilnehmenden einen genaueren Blick auf die Situation des Glaubens und der Kirchen in Tschechien ermöglichen. Daher gab es neben vielen Möglichkeiten zum persönlichen Austausch und zum Gespräch in kleineren und größeren Gruppen drei größere thematische Impulse.

Jaroslav Šebek, Historiker und Mitglied des Instituts für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, sprach zunächst zum Thema „Die Kirchen in der Tschechischen Republik und die Herausforderungen der heutigen turbulenten Zeit“. Die Flüchtlingskrise sei für die Zukunft der europäischen Integration ein grundsätzlicher Prüfstein geworden, an dem unterschiedliche Konzepte aufeinanderprallen „und wieder steht hier symbolisch Ost gegen West“, so Šebek. Ein Problem der heutigen Zeit sei die von den sozialem Medien mitbewirkte „Kommunikationsverkapselung“. „Während in der Zeit des Kommunismus bei uns eine Informationswüste herrschte, bewegen wir uns heute in einem Informationsdschungel.“ Das Ergebnis, so Šebek, sei dasselbe: „Orientierungsverlust und eine größere Anfälligkeit für Manipulation sowie Misstrauen gegenüber allem und jedem.“ Besonders schwierig sei, dass in einer solchen Situation auch die Repräsentanten der Kirche nach Orientierung suchten.

Pavel Fischer, Senator im Tschechischen Parlament, beschrieb ebenfalls die aktuelle Situation Tschechiens und stellte aus gesellschaftspolitischer Sicht die Herausforderungen dar. Er betonte die Wichtigkeit der emotionalen Identifikation mit einer persönlichen gesellschaftlichen Erfahrung. Sie entstehe in einem konkreten Sprach- und Erfahrungsraum. Die Einheit Europas gehe nur über das Ernst-nehmen aller lokalen Identifikationsvorgänge und der einzelnen Menschen, mit denen man gemeinsam unterwegs sei. Die Vision eines geeinten Europas könne nur entstehen, wenn die Politik Subsidiarität beachte und die Vielfalt der europäischen Völker, Sprachen und Kulturen respektiere und fördere.

Interview “Identity is something what we desperately need!” Pavel Fischer

Interview “Let’s engage on the very local level!” Pavel Fischer

Tomáš Halík, tschechischer Soziologe, Religionsphilosoph und römisch-katholischer Priester (Templeton-Preis 2014), stellte im Rahmen seines Beitrages zur religiösen Situation in seinem Heimatland in einem großen Bogen die geschichtliche Entwicklungen der tschechischen Kirche bis in die heutigen Tage dar. Dabei wurde deutlich, dass der Versuch der Kirche, den gestern gelebten Glauben für das heute und die Zukunft anzubieten, gescheitert ist. Die traditionelle Volkskirche habe heute keine Kraft mehr, weil ihre Biosphäre immer mehr verschwinde. Die Religion habe heute weitgehend keinen Einfluss mehr auf den Stil des Denkens der heutigen Generation. Diese lebe im neuen Kosmos des Internets. „Die neue Generation ist nicht bereit, die Religion ohne Argumente zu empfangen.“ Heute sei die Kirche herausgefordert, sich vor allem auf die Suchenden einzustellen. Diese seien sozusagen die „größte Diözese“. Nachdrücklich betonte Halík: „Die Zukunft der Kirche hängt an ihrer Bereitschaft, mit den Suchenden zu kommunizieren, die Suchenden zu begleiten.“ Der Glaube dürfe keine Ideologie der präzisen Antworten sein, sondern es gehe darum mit den Suchenden einen Weg zu gehen. Weil jeder die Frage nach dem Sinn habe, müsse die Kirche auch für alle da sein, nicht nur für die Frommen. Halík lud die Zuhörer ein, mutig zu sein und die anderen, die auf anderen Wegen die Wahrheit suchen, ernst zu nehmen und mit ihnen einen Dialog zu führen.

Der reich gefüllte Tag endete mit einer Gebetszeit, in der alle Überlegungen und Themen des Tages sowie die Zukunft Europas vor Gott gebracht wurden. Daran schloss sich ein festliches Abendessen mit kulturellem Programm an.

Heinrich Brehm