Hat die Hoffnung eine Zukunft?

Längst sind sie zahllos, die Forschungen auf kirchlichem, gesellschaftlichem und kulturellem Gebiet, was die Zukunft des europäischen Kontinents betrifft. Auch das „Europäisches Jahr des Kulturerbes“ lenkt einen weiten Blick darauf. Haben die Bewegungen und Gemeinschaften einen spezifischen Beitrag zu leisten?

Auszug aus dem Beitrag von Michael Hochschild, Kongress „Miteinander für Europa“ 1.7.2016 München

Hat die Hoffnung eine Zukunft oder ist unsere Welt heillos in Krisen und Probleme verstrickt? Falls die Zukunft wirklich noch eine Chance bekommt, wie sollten wir sie nennen – diese neue Welt? Und braucht sie womöglich Unterstützung von gesellschaftlichen, um nicht zu sagen religiösen Gestaltungskräften?

  1. Die Zukunft braucht Hoffnung, wenn wir nicht in der gegenwärtigen Dauerkrise feststecken und daran verzweifeln wollen.
  2. Die Zukunft braucht jedoch nicht nur viel Hoffnung, sondern die erhoffte Welt auch einen anderen Namen als den der Moderne, weil das Und-so-weiter der modernen Gesellschaft empfindlich gestört ist und wir an mannigfachen Orientierungskrisen leiden. Wenn die Zukunft anders werden soll, dann steht am Ende einer Entwicklung zum Besseren die so genannte postmoderne Gesellschaft.
  3. Ob es am Ende auf eine bessere Wirklichkeit hinausläuft, hängt nicht zuletzt von entsprechend frischen kulturellen Gestaltungskräften ab. Hier kommt der Beitrag von neuen geistlichen Bewegungen und auch von neuen sozialen Bewegungen zur Geltung: Sie zielen mit ihren hohen Idealen immer schon auf ein Morgen und nehmen deshalb einen Teil dieses Gesellschafts- wie Kirchenprogramms an sich schon vorweg. Kurzum: Sie zeigen schon heute, wie es morgen anders gehen könnte!

Es stellen sich zwei Herausforderungen: Einerseits stecken wir in einer tiefen Systemkrise der modernen Gesellschaft; jetzt reicht es nicht mehr, sich an die neuen Umstände ständig neu anzupassen – ein grundlegender Wandel unserer modernen Zivilisation hat eingesetzt und abverlangt von uns ein neues Denken und Handeln! Die zweite Herausforderung liegt in den neuen geistlichen Bewegungen selbst: Ihr Glaube, ihr Engagement und besonders ihre Zuversicht sind auf dem Weg aus der Krise sehr gefragt, weil sie das nötige Vertrauen in die Zukunft schaffen. Aber die neuen geistlichen Bewegungen müssen sich dazu stärker als bisher als kulturelle Gestaltungskräfte verstehen und entsprechend verhalten. In gewisser Weise müssen sie mehr soziale Bewegung werden.

Es braucht heute einen Blick nach vorne; anders gesagt: eine Versöhnung mit der Zukunft.

Und dafür sind die neuen sozialen Bewegungen, aber noch mehr die neuen geistlichen Bewegungen wie geschaffen. Zukunftsvisionen gehören zu ihnen wie der Mitgliedschaftsausweis zur Organisation. Bewegungen bieten nicht nur konkrete Alternativen für andere Lebensorientierungen, sondern sie öffnen damit vor allem moderne Verengungen. Beispiel modernes Individuum: Daraus wird bei ihnen (wieder) eine soziale bzw. religiöse Person mit entsprechenden Bindungen und Verantwortungen in ihrer konkreten Lebenswelt.

In dieser Hinsicht steht den neuen geistlichen Bewegungen allerdings eine Bewährungsprobe ins Haus. Aus Sicht der Bewegungsforschung müssen sie zeigen, dass sie als geistliche Bewegung nie nur geistliche, sondern immer auch soziale Bewegung sind – und im Glauben eine kulturelle Gestaltungskraft nutzen. Dann sind sie selbst den neuen sozialen Bewegungen überlegen, weil sie nicht wie diese auf bestimmte Themen festgelegt sind, sondern mit Gott und der Welt eine unbegrenzte Reichweite haben. Das Miteinander der geistlichen Bewegungen und ihrer Kirchen ist dabei entscheidend: Nur eine versöhnte Kirche kann einen glaubwürdigen Beitrag zur Versöhnung leisten. Allerdings wird ein „Miteinander für Europa“ bei einer Versöhnung mit der Zukunft nicht reichen; ein Miteinander für die ganze Welt von morgen ist gefragt.

Prof. Dr. Michael Hochschild, Forschungsdirektor und Professor für postmodernes Denken am Time-Lab Paris/Institut d’Études et de Recherches postmodernes; studierte Pädagogik, Soziologie, Philosophie, Psychologie und Theologie in Hamburg, Frankfurt und Bielefeld.

Hier den vollständigen Text herunterladen:  2016 07 01 MfE München – M. Hochschild über Versöhnung mit der Zukunft>>

 

München 2016 endlich online

Es ist soweit! Dank dem Einsatz Vieler, steht die komplette Dokumentation der Veranstaltung in München vom 30. Juni – 2. Juli 2016  zur Verfügung: Alle Fotos und Beiträge vom Kongress und der Kundgebung auf dem „Stachus“.

Sie ist in englischer und in deutscher Version erhältlich.

Hier geht‘s zur deutschen Ausgabe >

Hier geht‘s zur englischen Ausgabe >

Es ist auch möglich, die Dokumentation als pdf-Datei herunterzuladen: Deutsch >  ;    

Englisch >

Internationales Sekretariat von Miteinander für Europa

 

Europa ohne Geschwisterlichkeit ist undenkbar

Kapitelsaal San Salvatore in Lauro, Rom, 17. Februar 2017: Miteinander für Europa zu Gast bei der Tagung des Verbandes «Stadt für die Geschwisterlichkeit».

Nach dem Grusswort der Präsidentin Milvia Monachesi wurden die verschiedenen Potentialitäten und Problematiken des europäischen Kontinents unter die Lupe genommen. Zu Wort kamen dabei Donato Falmi, ehemaliger Direktor des Verlags Città Nuova, Marco Filippeschi, Bürgermeister von Pisa und Präsident der Liga für die Autonomien, sowie Silvia Costa, Abgeordnete des Europaparlaments und derzeit Koordinatorin der Kulturkommission für S&D, die abschliessend betonte, dass «ein Europa ohne Geschwisterlichkeit undenkbar ist».

Zum Tagungsthema «Europa: Freiheit, Gleichheit und… die Geschwisterlichkeit? – Welche Chance heute» haben Diego Goller (Italien) und Ilona Toth (Ungarn) mit der Erfahrung von Miteinander für Europa beigetragen. Durch ihre Ausführung wurden Initiativen von Gemeinschaften und Bewegungen verschiedener christlicher Kirchen ins Licht gerückt, die mit ihren geistlichen und kulturellen Reichtümern einen Beitrag zur Einheit Europas leisten möchten.

«Man sagt, dass man Europa eint, indem man die Städte eint. In den Städten liegen die eigentlichen Probleme, die gelöst werden müssen, die eigentlichen Antworten, die gegeben werden müssen. Man sagt oft: ‘lokal handeln, global denken’; vielleicht müsste man heute besser sagen: ‘lokal denken, global handeln’, weil die Ideen aus dem Leben geboren werden, aus dem Land, aus der Peripherie und weil die Probleme, die uns in unseren Städten Sorgen bereiten, ihren Ursprung auf globaler Ebene haben» meinte Diego Goller. Und sich auf Chiara Lubich beziehend, fuhr er fort: «Wenn Chiara von Miteinander für Europa sprach, sagte sie immer: MITEINANDER steht für Geschwisterlichkeit und EUROPA für den politischen Aspekt, denn „wir dienen im weitesten Sinne des Wortes einem politischen Projekt.“

«Auf seinem 17 Jahre langen Weg ist die Botschaft von Miteinander für Europa immer mehr gereift. In Stuttgart wurde sie mit der „Botschaft Miteinander für Europa 2007“ durch ein mehrfaches „JA“ zum Ausdruck gebracht: unsere Städte sollen Orte sein, die offen sind für verschiedene Kulturen» fährt Ilona Toth fort. Sie zitiert auch den französisch-deutschen Soziologen Michael Hochschild, Professor in Paris, der beim Mitarbeiter-Kongress in München 2016 auf die Frage, ob die Hoffnung eine Zukunft habe, erklärte: «Die Antwort liegt in den neuen geistlichen Bewegungen selbst: Ihr Glaube, ihr Engagement und besonders ihre Zuversicht sind auf dem Weg aus der Krise sehr gefragt, weil sie das nötige Vertrauen in die Zukunft schaffen. Aber die neuen geistlichen Bewegungen müssen sich dazu stärker als bisher als kulturelle Gestaltungskräfte verstehen und entsprechend verhalten. In gewisser Weise müssen sie mehr soziale Bewegung werden.»

Auch Alcide de Gaspari, einer der Gründerväter Europas, wurde angeführt. Schon 1952 machte er Aussagen, die uns auch heute noch zum demokratischen Dialog einladen: «Man muss wählen: entweder reden, diskutieren, an die Vernunft appellieren, an die menschlichen Fähigkeiten appellieren, oder zur Gewalt greifen, zum Befehl, den Willen einer Person aufzwingen. (…) In der Vergangenheit gab es viele Konflikte und Kriege aufgrund des Unvermögens sich zu einigen, miteinander zu diskutieren; aufgrund des Unvermögens, zusammenzukommen und über den Frieden zu verhandeln. Ist es nicht besser, dass wir uns bemühen den Frieden zu erlangen, Formeln zu finden und Institutionen einzurichten, die diesen Frieden garantieren?»

«Danke für die Einladung, die eine Chance für unsere Synergien bildet. Arbeiten wir gemeinsam daran, dass unsere Häuser, Gemeinschaften und Städte zu Werkstätten der Gemeinschaft, der Freundschaft und der Geschwisterlichkeit werden, weltoffen und fähig zur Integration» erklärte abschliessend Diego Goller.

Am Ende der Tagung wurde der „Chiara-Lubich-Preis für Geschwisterlichkeit“ zum achten Mal verliehen: in diesem Jahr wurde er Assisi zugewiesen, der Stadt  in der – dank Franziskus – bereits «600 Jahre vor der Formulierung der drei Grundsätze der Moderne durch die Französische Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) der Begriff ‚Brüderlichkeit‘ erklang …» wie es in der Begründung heisst.

Siehe auch: www.cittaperlafraternita.org/europa-e-fraternita-binomio-impegnativo

Videoaufzeichnung (italienisch): //youtu.be/edJSuqMdDaI

Und so war es wirklich…

In der Veranstaltung von Miteinander für Europa in München vom 30. Juni bis 2. Juli war wirklich alles enthalten: BEGEGNUNG zwischen unterschiedlichsten Menschen, die sich jedoch einig darüber waren, die ZUKUNFT miteinander anpacken zu wollen. Die Zeugnisse von VERSÖHNUNG haben gezeigt, dass ein gemeinsamer Weg keine Utopie ist. Im Licht dessen, was sich danach in der Stadt – und in anderen Teilen der Welt – ereignet hat, erscheint die Botschaft von Miteinander für Europa notwendiger und aktueller denn je.

Hier einige der Echos von Personen, die die Veranstaltung miterlebt haben (in Orginalsprache):
  • München zeigte ein tiefes echtes Gesicht eines Europa, das sich auf Gott und die Welt öffnet. Es wurde verständlich und erfahrbar: Miteinander geht es, Miteinander aller Charismen und Gaben. Der Glaube, die Liebe und die Offenheit führen zur Entängstigung…
  • Magnifique rassemblement avec le souffle des origines et qui ouvre un nouvel avenir pour Ensemble pour l’Europe. Une lumière et une espérance dans une Europe qui en a bien besoin! Remarquable organisation de nos amis allemands.
  • I am British and have always had a very strong sense of being European, and part of a positive process of unification. It was a challenge coming to Munich a week after Brexit, knowing that everyone would ask my opinion about it. I was initially very sad, but I know that being European and being Christian is a bigger idea than any particular political process or institution, and that unity will go ahead anyway. The positive attitude and support of a very impressive list of Christian leaders was very important and can only further this process. The young people present were a great witness to things already happening , and a hope for a better future.
  • Ho colto la profondità, il desiderio di continuare sempre più insieme per una nuova Europa nel cammino della pace costruita sui valori comuni del dialogo e dell’amore. Non abbiamo paura, andiamo avanti, nella certezza che Dio Amore ci precede sempre, a noi tutti gli sforzi, a Lui la gloria del Suo Amore passato dalle nostre azioni positive.
  • Das Podium „Zukunft der Gesellschaft – Auftrag und Verantwortung der jungen Generation“ erfüllte aber voll und ganz meine Erwartungen: Junge Leute, die von ihrem Glauben und ihrer Jugendarbeit innerhalb ihrer Gemeinschaft berichteten. Mir gefiel es sehr gut, mich endlich mit anderen Jugendlichen, die sowohl ähnliche als auch komplett verschiedene Ansichten als ich hatten, auszutauschen und zu diskutieren.
  • Ho capito che anche i piccoli come me possono fare qualcosa per l’Europa, nella stessa strada dei grandi, per iniziare questa unione spirituale dell’Europa, gli uni per gli altri.
  • Hi everyone, I did watch this wonderful event which was a wonderful way to involve people like me around the world in Unity with all ‘People of Good Will’. God’s choicest blessings on everyone who organised this and those who took part. We are meant to be together and not live selfish lives in isolation from our neighbour.
  • Il fatto che ci siamo trovati in un circo mi suggerisce che è importante mettersi in gioco come fanno i protagonisti del circo, giocarsi la vita  per essere di aiuto agli altri.
  • J’ai beaucoup apprécié ce moment à Munich. Maintenant avec toute l’équipe de Lyon nous nous engageons à diffuser ce que nous avons vécu. Bien avec chacun.
  • Insgesamt bin ich sehr dankbar für die Erfahrung der Veranstaltung in München und trage die Erlebnisse und Begegnungen noch lebendig in mir. Vor allem verbinde ich mich im Gebet Tag für Tag weiterhin mit allen, die dort waren, und habe die Hoffnung, dass das Wunder der Einheit der Kirchen eines Tages von Gott geschenkt wird. (…) Für alles, was bei der Kundgebung am Stachus auf der Bühne geboten wurde, kann ich nur meine Anerkennung aussprechen.
  • Anche l’aprire e chiudere l’ombrello (…) non ha distolto da un clima di unità, di gioia, di profondità che ho avvertito. Mi è sembrata la manifestazione della speranza.
München 2016 – Miteinander für Europa
Begegnung – Versöhnung – Zukunft

ErfülltFrei Mutig

Erfüllt
Erfülltes Sein
Seine göttliche Liebe
Liebe verschleiert durch Nebel
Nebel ausgelöst durch das Ego
Ego erkennen im Nichtsein
Nichtsein schenkt Begegnung
Begegnung erfüllt
Erfüllung

Frei
Freie Begegnung
Begegnung mit Freude
Freude erstickt durch Trennung
Trennung in spaltenden tiefen Abgründen
Abgründe hinabsteigen einfühlsam vertrauensvoll
Vertrauensvolle behutsame Versöhnung
Versöhnung befreit
Freiheit

Mutig
mutige Versöhnung
Versöhnung erkennt Unterschiedlichkeit
Unterschiedlichkeit übersetzen in Vielfalt
Vielfalt achtsam bewahren in Einheit
Einheit erhellt öffnet Gemeinsamkeit
Gemeinsamkeit stärkt Zukunft
Zukunft mutvoll
Mut
(Elisabeth Stifter, Juli 2016 – Graz)

Live aus München – 3. Tag

„Ja zu Brücken der Barmherzigkeit. Ja zur Entdeckung des Anderen und seines Reichtums. Ja zur Erkenntnis, dass wir wirklich „eins“ sind, dass eine Einheit und Geschwisterlichkeit existiert, für die gearbeitet werden muss und für die Wege gefunden werden müssen, um die vielen trennenden Mauern der Feindschaft niederzureißen “. Die Worte von Andrea Riccardi (Gründer der Comunità Sant’Egidio) gelesen von Marco Impagliazzo, dem derzeitigen Präsidenten, drückte den Geist und den Einsatz der 5000 Anwesenden auf dem Karlsplatz (Stachus) in München am 2 Juli, anlässlich der abschließenden Kundgebung von Miteinander für Europa, Edition 2016, ganz richtig aus.

Das Programm entwickelte sich anhand von vier Themen: Einheit ist möglich; Versöhnung eröffnet Zukunft; eine Kultur der Beziehung und der Barmherzigkeit; Sendung und Zukunft. Maria Voce, Präsidentin der Fokolar-Bewegung, formulierte in ihrer Rede ein feierliches Versprechen: „Wir hier verpflichten uns heute, Werkzeuge dieser Wende, Werkzeuge einer neuen Vision von Europa zu sein, Werkzeuge, damit der Weg zur Einheit beschleunigt werde. Wir tun es, indem wir mit allen Männern und Frauen unseres Planeten in einen tiefgehenden Dialog zu treten suchen.“ Groß war die Freude über die beiden Videobotschaften von Papst Franziskus un vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I.Nach Zeugnissen der Versöhnung zwischen Kirchen und Gemeinschaften betonte Gerhard Pross vom Leitungskomitee von Miteinander für Europa: „Auch wenn wir verschieden sind und bleiben, wollen wir in Einheit leben, diese mit unserer Verschiedenheit anreichern und unsere Städte und ganz Europa damit anstecken.“

Kardinal Kurt Koch, Vorsitzender des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen (Rom) erklärte, dass zwischen ihm und Bischof Frank Otfried July, Vize-Präsident des Lutherischen Weltbundes, ein Netz der Freundschaft entstanden ist: „Es gibt viele Erfahrungen, die wir gemeinsam als eine Kirche leben: Lasst uns für die Flüchtlinge arbeiten, zusammen beten, Christus wieder ins Zentrum von Europa rücken“. Der rumänische-orthodoxe Metropolit für Deutschland, Zentral- und Nordeuropa Seraphim Joanta (Nürnberg) teilte mit den Anwesenden Freud und Leid: „Die größten Leiden sind die fundamentalistischen Kreise in den Kirchen, die riskieren, die Versuche der Einheit unter den Christen zu zerstören. Außerdem fehlen die Jugendlichen in unserer Kirche. Aber wir lassen uns nicht entmutigen und vertrauen auf Christus und diesem Netz der Geschwisterlichkeit“. Rührend und prophetisch war der Moment, in dem verschiedene Vertreter der christlichen Kirchen und Bewegungen gemeinsam das Vater Unser laut beteten: „Es ist ein prophetisches Zeichen der Versöhnung und Vergebung“ – erklärte Rev. Olav Fykse Tveit, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen – „ein Zeichen, das wir nicht mehr missen wollen“.

Stark und voller Hoffnung war die Stimme der Jugendlichen: „Ich träume von einem freundschaftlichen und weniger individualistischen Europa“, sagte Maria aus der Tschechischen Republik – „Europa beginnt bei mir, denn ich bin Europa“.

„Miteinander” ist eines der Schlüsselwörter von Miteinander für Europa: „2017 wird das Reformationsjubiläum sein“ – erklärte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD – „und wir wollen es zusammen mit der evangelischen und katholischen Kirche feiern“. Und Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz sagte: „Wir müssen die Zeichen der Einheit, die wir bereits leben, erkennen; wir sind nicht getrennt; lasst uns Christus gemeinsam bezeugen“.

Die Schlussbotschaft, die von allen Leitern der Gemeinschaften und Bewegungen vorgelesen wurde, bringt die Früchte des bereits zurückgelegten Weges sowie die zukünftigen Schritte zum Ausdruck: „Europa darf nicht zur Festung werden und neue Grenzen errichten. Zum Miteinander gibt es keine Alternative. Wir bitten alle Christen (…) Trennungen zu überwinden. Unsere Verpflichtung: wir leben mit dem Evangelium von Jesus Christus und bezeugen es in Wort und Tat. Wir setzen uns dafür ein, dass Mitmenschlichkeit und Frieden auf der Welt wachsen.”

Live aus München – 2. Tag

Maria Voce, Präsidentin der Fokolar-Bewegung, hat den zweiten Kongresstag eröffnet: “Europa durchlebt die Nacht seiner Prinzipien, seiner Rolle in der Welt, die Nacht seiner Träume (…) Miteinander für Europa kann – so meinen wir – einzelne Menschen wie diejenigen, die sich zusammengeschlossen haben, in ihrem Einsatz für ein freies, versöhntes, demokratisches, solidarisches und geschwisterliches Europa inspirieren. Dann kann es für den Rest der Menschheit Geschenk sein.”

Steffen Kern vom Evangelischen Gemeinschaftsverband Württemberg: “Worin liegt für uns Christen die Hoffnung? Es braucht Verantwortungsbewusstsein; wir müssen das Leid und die Dunkelheit unser Städte auf uns nehmen. Wir haben in Stuttgart das “Haus der Hoffnung” gegründet, das Frauen und Menschen, die alleine sind, aufnimmt. Damit möchten wir bezeugen, dass Gott niemanden im Stich lässt”. Thomas Römer (CVJM München) erklärt: „Die Stärke unseres Kontinents liegt in Christus und in seinem Evangelium. Jesus ist auch in den Unwettern da, wir müssen nur glauben. Er ist ins Boot gestiegen um uns zu retten.“

Am Nachmittag hat Miteinander für Europa vielfältige Gelegenheiten zum Dialog, Gespräch und Projektvorstellungen angeboten.

Im Podiumsgespräch „Christen und Muslime im Dialog“ wurde der Wunsch deutlich einander tiefer kennenzulernen, sich zu begegnen und zusammenzuarbeiten, um sich gemeinsam den sozialen und kulturellen Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Pasquale Ferrara, frisch ernannter italienischer Botschafter in Algeri betonte, dass Dialog nicht von Kulturen oder Religionen geführt wird, sondern von Menschen. Man sollte immer konkret und realistisch sein. Imam Batzami hat alle eingeladen, sich zu begegnen und kennenzulernen. Viele Ideen und Projekte sind aus der Debatte zwischen der Religionsphilosophin Beate Beckmann-Zöller, Dr. Thomas Amberg aus der evangelischen Kirche und dem französischen Bischof M. Dubost entstanden. „Das Heilmittel für die Trennung zwischen Christen und Muslimen ist die Anerkennung des Anderen als Bruder/Schwester“, erklärte Gérard Testard (Efesia, Frankreich).

Im Podium „Wege zu einem nachhaltigen Europa“ haben Kardinal Turkson, der Umweltingenieur Daniele Renzi, Hans-Herman Böhm und andere Experten angeregt, der Einladung von Papst Franziskus zu einer ernsthaften und offenen Debatte über den Klimawandel und deren ökologischen Folgen nachzukommen: „Wissenschaft und Religion sollten miteinander in Dialog treten“ – betonte Kardinal Turkson – „um in der Gesellschaft gemeinsam einen Beitrag zu leisten“.
„Martyrium – das schwierige Zeugnis der Christen in unserer Zeit“ war der Titel eines weiteren Podiums. Unter den Referenten war es Michael Brand, MdB, der in Bezug auf die schwierige Situation im heutigen Europa an einen Satz des heiligen Bonifatius erinnerte: „Wir wollen nicht wie stumme Hunde sein!“. „Persönlich bin ich der Meinung, dass wir von außen durch den Terrorismus und von innen durch den aggressiven Säkularismus bedroht werden. Ich habe weniger Angst vor der Islamisierung Europas, als vor dem Schwinden des christlichen Glauben“.

Live aus München – 1. Tag

Begegnung, Versöhnung, Zukunft. Diese Worte prägen die vierte internationale Veranstaltung von Miteinander für Europa. Seit 1999 sind mehr als 300 christliche Bewegungen und Gemeinschaften einen Weg der Versöhnung, des gegenseitigen Verständnisses und der Einheit gegangen. 200 von ihnen sind vom 30. Juni bis zum 2. Juli 2016 hier im Circus Krone in München vertreten: 1.700 Personen aus 40 Ländern sind für den Mitarbeiterkongress angereist. Gemeinsam möchten sie sich  den heutigen Herausforderungen in Europa stellen und auf der Basis christlicher Werte einen Beitrag leisten.

Martin Wagner (CVJM München), einer der Moderatoren, eröffnet den Kongress: “Versöhnung wird unser Schlüsselwort sein. Sie ist notwendig und wir möchten Boten der Versöhnung sein. Wir haben sie schon erlebt – sie ist unsere Zukunft. Unser Ziel ist es, uns gemeinsam für die Einheit einzusetzen, uns als Christen den heutigen Herausforderungen Europas zu stellen.”  Gerhard Pross (CVJM Esslingen) hat die 1.700 Teilnehmer begrüßt: “Gott möchte, dass wir miteinander auf die Einheit zugehen.” Und Kardinal Walter Kasper: “500 Jahre Trennung sind genug: Wir haben der Einheit Europas gegenüber eine Verpflichtung, sonst verleugnen wir Christus. Und jetzt ist diese Einheit noch notwendiger, denn Europa ist in Gefahr.”

Bischof Krause von der evangelischen Kirche: “2007 haben wir ein Manifest für ein geeintes Europa unterzeichnet und uns den “7 Ja” verpflichtet. Wir hatten einen Traum, haben gebetet und Gott hat uns erhört.” Sr. Lioba Ruprecht: Wir müssen die “Bündniskultur” aufbauen.” Hartmut Steeb von der Evangelischen Allianz: “Dieser Dialog hat in den neunziger Jahren begonnen. Gott selbst hat für die Einheit gebetet. Die Worte Begegnung – Versöhnung – Zukunft werden uns in diesen Tagen begleiten.”

Der Nachmittag war 19 verschiedenen Foren gewidmet: Soziale Verantwortung, Integration, Wirtschaft, Ökumene, pastorale Herausforderungen, Jugend und Europa, Ehe und Familie, Versöhnung, Evangelisierung heute und viele andere mehr.

Bewegungen und Gemeinschaften habe nicht nur Erfahrungen, Aktivitäten und Projekte geteilt, sondern auch ein starkes Glaubenszeugnis gegeben. Sehr gut besucht war das Forum „Der Preis und der Gewinn der Einheit – Reibungen überwinden, das Miteinander kultivieren”. Darin betonte Kardinal Walter Kasper, dass die mangelnde Mühe an echter Versöhnung eines der größten Hinderniss in der Ökumene darstelle. Vergebung sei notwendig, um den Weg gemeinsam weitergehen zu können. „Versöhnung verlangt harte Arbeit“ fügte Walter Kriechbaum vom CVJM München bei, “sie heilt uns und macht uns zu Boten der Einheit.”

Nach dem Brexit: Miteinander wird zum prophetischen Zeichen

Nach den Nachrichten am heutigen Freitagmorgen, dem Tag nach dem „Brexit“, sind sich die Verantwortlichen des Leitungskomitees von Miteinander für Europa einig: Der Europa-Kongress vom 30. Juni bis 1. Juli und die Kundgebung auf dem Münchner Karlsplatz am 2. Juli bekommen vor diesem Hintergrund eine neue, weitreichendere Bedeutung.

Pater Heinrich Walter von der Schönstatt-Bewegung zeigte sich betroffen und entschlossen: „Jetzt wird unser Miteinander noch mehr zu einem Zeichen der Hoffnung wider die Hoffnung. Die christliche Quelle ist die entscheidende im Blick auf die Identität. Das Miteinander für Europa wird auf dem historischen Hintergrund dieser Woche von Gott selbst zum prophetischen Zeichen gemacht“.

Gerhard Proß vom CVJM Esslingen und Sprecher der Miteinander-Initiative in Deutschland: „Jetzt wird es erst recht darauf ankommen, dass wir ein klares Zeichen zum Miteinander für Europa aus München senden – ein Zeichen des Miteinanders, gegen die Egoismen und Ängste unserer Zeit. Es erscheint mir signifikant, dass Papst Franziskus, Andrea Riccardi und Jeff Fountain das entscheidende Wort zu Europa sprechen werden, nicht die Politiker.“

Und Maria Voce, Präsidentin der Fokolar-Bewegung, kommentierte in Rom: „Dieses Referendum zeigt, dass ein geeintes Europa weder von der Politik noch von der Wirtschaft geschaffen wird, sondern von den Werten, die die Europäer miteinander teilen. Das Miteinander für Europa hätte in keine bessere Zeit fallen können“.

Eine ermutigende Anerkennung

Die bevorstehende Veranstaltung in München (Juli 2016) hat eine neue Schirmherrschaft erhalten.

Mit starken Worten der Ermutigung und Anerkennung für die Initiative hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, der Veranstaltung „Begegnung. Versöhnung. Zukunft“ die Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments erteilt.

In seinem langen Brief betonte er die Wichtigkeit, sich gemeinsam für Solidarität und Frieden, für Toleranz und Dialog zwischen den Kulturen und Religionen einzusetzen sowie das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu Europa und eine aktive Bürgerschaft zu fördern.

Nach der Schirmherrschaft des Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker und des Generalsekretärs des Europarates, Thorbjørn Jagland, ist dies die dritte Schirmherrschaft, die seitens Europäischer Institutionen gewährt wurde.

Sie sind ein verstärkter Impuls, zur Verwirklichung unseres „Traumes“ vom einem “geeinten und vielfältigen Europa beizutragen, einem Europa mit starker sozialer Bindekraft und kultureller Vielfalt. Unsere Unterschiedlichkeiten trennen uns nicht und brauchen uns auch nicht zu beängstigen, wenn wir sie als Geschenk erleben. Wir leben für ein Europa, das die Unterschiedlichkeiten nicht einebnet, sondern als Reichtum entdeckt und nutzt”…  >siehe: WIE STELLEN WIR UNS EUROPA VOR

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Foto: Ulz

Videobotschaften und Schirmherrschaften EU

Kirchenoberhäupter unterstützen das Netzwerk Miteinander für Europa am  2.Juli 2016 durch persönliche Grußbotschaften, Europarat und EU-Kommission bestätigen Schirmherrschaft.

Im Laufe der letzten Wochen kam sowohl aus dem Vatikan als auch aus dem Phanar in Istanbul die offizielle Zusage, dass Papst Franziskus und der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. eine persönliche Videobotschaft schicken werden zur großen Kundgebung am 2. Juli in München.  Siehe>

Bereits Anfang September hatte Pater Heinrich Walter von der Schönstatt-Bewegung als Vertreter des internationalen Leitungskomitees von Miteinander für Europa in einer persönlichen Audienz dem Papst die Informations-Broschüre zur Veranstaltung in München überreicht und ihn um eine Videobotschaft gebeten. „Sollen wir das jetzt gleich aufzeichnen“? hatte das katholische Kirchenoberhaupt augenzwinkernd gefragt. Nun kam aus dem Vatikan telefonisch noch einmal die offizielle Bestätigung, dass die Grußbotschaft in Arbeit ist.

Im November hatten Maria Voce, Diego Goller und Gerhard Proß vom internationalen Leitungskomitee bei einer Begegnung mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. die Gelegenheit genutzt, ihn zur Begegnung nach München einzuladen. Da er den Termin nicht persönlich wahrnehmen kann, versprach er, eine Grußbotschaft zu schicken und bekräftigte das ebenfalls vor ein paar Tagen nochmal in einer persönlichen Begegnung mit den Fokolaren von Istanbul.

Beide Kirchenführer schätzen und unterstützen die Arbeit der geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen und unterstützen die Initiative Miteinander für Europa.

Auch der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker und der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland unterstützen die Veranstaltung und haben ihre Schirmherrschaft zugesagt.

Für mehr Infos – download Pressemeldung2 VideoBotschaften 160425 DE

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Eine wichtige Etappe in Trastevere

Leitungskomitee trifft wichtige Vorbereitungen 85 Tage vor dem Event in München

Das römische Viertel Trastevere ist voller Menschen: Touristen, Familien, Kinder, Ältere, Geschäftsleute…. Die ständige Anwesenheit von zwei bewaffneten Soldaten spricht jedoch für die Tatsache, dass sich diese Stadt im Herzen eines Europas befindet, dessen Situation wohl niemand hätte voraus sehen können.

Aus der Menge der Leute gehen einige Personen auf eine kleine, unscheinbare Tür zu, den Eingang zu den Räumlichkeiten der Gemeinschaft Sant’Egidio in Rom. Der ehemalige antike Konvent der Karmeliter stellt jetzt die Brücke dar zwischen alten und neuen Charismen. Hier trifft sich für zwei Tage das Leitungskomitee, das die Großveranstaltung „Miteinander für Europa“ vom 30. Juni bis 2. Juli 2016 in München (Bayern) vorbereitet.

Unter den ersten, die eintreffen, ist Maria Voce, die Präsidentin der Fokolar-Bewegung, die freudig von allen begrüßt wird, unter ihnen als Hausherr Marco Impagliazzo, der Präsident der Gemeinschaft Sant’Egidio. Die Freude wächst mit jedem, der aus Deutschland, Frankreich und Belgien ankommt. Sie alle lassen ihre eigenen verantwortungsvollen Aufgaben zurück, um gemeinsam jene Verantwortung zu tragen, die ihrer Erfahrung der ‘Einheit unter Verschiedenen’ entsprungen ist.

Aufmerksamkeit, Zuhören, Anteilnahme und Offenheit sind gefragt, denn es geht um die anspruchsvolle Programmgestaltung. Auch das Sekretariat und die Übersetzer tragen ihren Teil zu dieser Zusammenarbeit bei.

Gemeinsam nimmt man am Abendgebet mit meditativen Gesängen der Gemeinschaft Sant’Egidio in der Basilika Santa Maria in Trastevere teil. Dies scheint wie die Illustration der Worte von Maria Voce: Was eine Gemeinschaft oder Bewegung tut, ist als täten es alle anderen.

Die letzten Stunden sind intensiv; der Terminkalender ist voll; das Flugzeug ist zum Abflug bereit; die Herausforderungen des Münchener Events sind nicht weniger geworden und die Fernsehnachrichten bringen noch  wenige gute Nachrichten…

Alle reisen ab mit einer noch größeren Überzeugung, dass das lebendige Netz der Gemeinschaften und Bewegungen immer stärker seinen Beitrag für die Zukunft des Kontinents geben muss.

 von Ilona Toth